Ungefragt in der Abendwärme Die Sonne war im Meer versunken wie wir in unseren Gedanken. Mit dem Abendwind weht uns nun wieder etwas Realität um den Hals. Am Heck des Schiffes, noch immer die Hände auf der kühlen Reling, Summen von den Sohlen bis in die Finger, frische Wasserspritzer im Gesicht, das noch nachglüht von der Sonne des Tages. Wie das dunkle Rot dann aus den Wolken der Sonne langsam in die Tiefen folgt, kommen die grauen Töne ganz groß heraus, zu ihrer eigenen Stunde. Selbst die tre colori, windgezauste Fahne, in den Farben der neapolitanischen Pizza, zeigt nun die graue Rußspur des Diesels. Der kleine schwarze Kegel in der Ferne ist unsre sonnige Insel gewesen. Einen Arm lege ich um die Liebste, die mich in solchen Momenten schon lange nicht mehr fragt, was ich denke. Nach zwanzig Jahren weiß sie, daß jetzt kein Wort Antwort sein kann, und kein Wort auch die Frage. Auf vielen Fähren sind wir gefahren und auf vielen Flügen geflogen haben Inseln gefunden und verloren, haben geliebt und gestritten gelacht und geträumt gedacht und getan. Auch die Liebste legt mir jetzt einen Arm um die Hüfte, wohl weil sie eine Antwort ahnt. Könnt' sie hören, was ich denke, könnt' sie blicken, was ich erinnere, könnt' sie spüren, was ich fühl', dann gäbe sie mir mindestens auch noch den zweiten Arm dazu. Hans Uszkoreit 2000 |
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